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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 4 U 155/03
Rechtsgebiete: ZPO, AGBG, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 296 a
ZPO § 529 Abs. 1 Ziffer 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
AGBG § 3
AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 3
BGB § 288 Abs. 1
BGB §§ 305 c ff.
BGB § 307 n. F.
BGB § 765 Abs. 1
BGB § 767 Abs. 1
BGB § 767 Abs. 1 Satz 1
BGB § 776
EGBGB Art. 229 § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 155/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 25.8.2004

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2004 durch

die Richterin , die Richterin und den Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. September 2003 wird zurückgewiesen. 2. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. September 2003 im Kostenausspruch wie folgt abgeändert:

Die Kosten des ersten Rechtszugs werden der Beklagten auferlegt.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung eines erststelligen Teilbetrages von 70.000,00 € aus Bürgschaft für Darlehensverbindlichkeiten ihres Ehegatten W. L., Inhaber der Firma A., in Anspruch. Grundlage der Inanspruchnahme der Beklagten sind deren Bürgschaftserklärung vom 20. Oktober 1997 u.a. für einen Barkredit vom 13. November 1995 mit Ergänzungen zuletzt vom 18.11.1996 über 200.000,00 DM und die Bürgschaftsübernahme vom 07. Januar 1999 für einen bis zum 31. Dezember 1999 befristeten Ratentilgungskredit von 200.000,00 DM vom 21. Dezember 1998. Unter dem 29. August 2001 nahmen der Klägerin und der Hauptschuldner eine sogenannte "Neuordnung des bestehenden Kreditengagements bzw. der bestehenden Inanspruchnahme" vor in der Weise, dass die Klägerin dem Hauptschuldner einen Tilgungsbarkredit über 140.000,00 € gewährte. Der Kredit wurde am 22. Januar 2002 gekündigt und mit einem vom Hauptschuldner anerkannten Rechnungsabschlußsaldo per 21. Januar 2002 von 137.113,79 € fällig gestellt. Leistungen hierauf erfolgten nicht.

Die Beklagte hielt die Klage für unschlüssig, weil aus ihr die gesamtschuldnerische Haftung mit den beiden weiteren Bürgen nicht hervorgehe und nicht dargetan sei, wie hoch die Darlehensvaluta aus den gesicherten Krediten sei. Sie hat die Auffassung vertreten, die Bürgschaft erfasse den Kredit vom 29.08.2001 nicht, darüber hinaus sei die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung der Klägerin, weil diese nicht in der Lage gewesen sei, die potentiellen wirtschaftlichen Risiken aus den Bürgschaften zu erfüllen, und wegen Übersicherung sittenwidrig. In dem nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28. August 2003 hat die Beklagte erstmals die Höhe ihrer seinerzeit erzielten Einkünfte vorgetragen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben; die Kosten hat es aufgrund der Reduzierung des im Mahnverfahren geltend gemachten Betrages von 139.488,52 € auf 70.000,00 € im Verhältnis 1/5 zu 4/5 aufgeteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte hafte aus den von ihr mit Erklärungen vom 20. Oktober 1997 und 7. Januar 1999 rechtswirksam übernommenen Bürgschaften. Soweit sie die Auffassung vertrete, die Bürgschaften seien wegen krasser finanzieller Überforderung sittenwidrig, habe sie schon nicht schlüssig dargelegt, dass sie aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage gewesen sei, wenigstens die laufenden Zinsen auf die Hauptforderung zu zahlen. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus ihrer sechs Tage vor dem Verhandlungstermin eingegangenen Klageerwiderung, in der lediglich pauschal und damit nicht einlassungsfähig behauptet werde, ihr fehle die notwendige Leistungsfähigkeit. Ihr Vorbringen zu den Einkommensverhältnissen in den Schriftsätzen vom 28. August und 11. September 2003 sei gemäß § 296 a ZPO unbeachtlich; eine Schriftsatzfrist sei weder beantragt noch bewilligt worden.

Der Umschuldungskredit von 140.000,00 € werde auch durch die Bürgschaften gesichert, denn ausweislich der Ziffer 2 der Bürgschaftsurkunde bestehe die Bürgschaft bei Prolongation des Kredites unverändert fort und eine Novation liege nicht vor. Die Hauptverbindlichkeit sei schließlich fällig und der Höhe nach nachvollziehbar dargelegt worden. Der Hauptschuldner habe gegen den Rechnungsabschluß keine Einwendungen erhoben und die Forderung somit anerkannt. Demgegenüber genüge das bloße Bestreiten der Beklagten nicht. Die Beklagte könne auch nicht verlangen, dass die Beschränkung ihrer Haftung - als Gesamtschuldnerin mit weiteren Bürgen - in der Urteilsformel zum Ausdruck käme.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie vertritt die Auffassung, es handele sich bei dem Kredit vom 29. August 2001 um ein völlig neues Kreditengagement der Klägerin, für das sie aus den Bürgschaften nicht hafte. Zudem verstoße die Erstreckung der Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche gegen § 9 AGBG. Das Anerkenntnis des Abschlußsaldos durch den Hauptschuldner entfalte gegenüber dem Bürgen keine Wirkung. Im übrigen sei die Bürgschaft sittenwidrig, denn ihr monatliches Einkommen habe bei Abschluß der ersten Bürgschaft 2.769,26 DM, bei Abschluß der zweiten Bürgschaft 2.758,10 DM betragen. Der Klägerin seien die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch bekannt gewesen, denn sie habe diese in den Selbstauskünften vom 20. Oktober 1997 und 14. Juli 2000 offenbart.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und im Wege der Anschlußberufung, das angefochtene Urteil im Kostenausspruch abzuändern und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen.

Sie meint, das Landgericht habe bei der Kostenentscheidung nicht von einer teilweisen Klagerücknahme ausgehen dürfen, weil entsprechend ihrem Antrag in der Anspruchsbegründung vom 20. Dezember 2002 nur die Teilforderung von 70.000,00 € Gegenstand des streitigen Verfahrens gewesen sei. Im übrigen verteidigt sie mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

II.

1.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Die Klägerin kann die Beklagte gemäß den §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1 BGB auf Zahlung von 70.000,00 € in Anspruch nehmen.

Der Eintritt des Bürgschaftsfalles als solcher ist unstreitig.

aa) Die Kammer hat im Ergebnis und in der Begründung zutreffend eine den geltend gemachten Betrag übersteigende Forderung der Klägerin gegen den Hauptschuldner bejaht.

(1) Die Klägerin hat die Höhe der verbürgten Schuld von mindestens 70.000,00 € hinreichend dargetan; die Beklagte ist dem nicht mit erheblichen Einwendungen entgegengetreten.

Gemäß § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet sich der Umfang der Verpflichtung des Bürgen nach dem Bestand der jeweiligen Hauptschuld. Insoweit hat der Gläubiger das Entstehen und die Fälligkeit der Verbindlichkeit, also die Voraussetzungen der Bürgenhaftung, darzutun und zu beweisen. Sache des Bürgen ist es dagegen zu belegen, dass die Hauptschuld aufgrund rechtsvernichtender Einwendungen untergegangen ist. Zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger gilt insoweit dieselbe Beweislastverteilung wie zwischen diesem und dem Hauptschuldner.

Wird ein Konto - wie hier - im Kontokorrent geführt (§ 355 HGB), hat ein Saldoanerkenntnis eine Beweislastumkehr im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber zur Folge. Die Partei, zu deren Gunsten sich aus dem Abschlußsaldo ein Überschuß ergibt, braucht nicht die Einzelpositionen des Kontokorrents darzulegen und zu beweisen, sondern kann sich auf das abstrakte Saldoanerkenntnis berufen (BGH NJW 1991, 2908). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt diese Beweislastumkehr, falls die Forderungen der Bank aus dem Kontokorrentkonto durch einen Dritten verbürgt worden sind, auch im Verhältnis zwischen Bank und Bürge (BGH WM 1999, 1499).

Da der Hauptschuldner W. L. nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin den Saldo zum Zeitpunkt der Kündigung in Höhe von 137.113,79 € anerkannt hatte, obliegt es der Beklagten, eine geringere Hauptforderung darzutun und ggf. zu beweisen. Das ist auch auf den im Termin vom 21. Juli 2004 erfolgten Hinweis des Senats nicht erfolgt.

(2) Die Bürgschaft ist nicht dadurch erloschen, dass die gesicherte Hauptforderung durch eine andere ersetzt wurde (Novation).

Die Kammer hat den Kreditvertrag vom 29. August 2001 zu Recht als eine bloße Neuordnung der Salden aus den Altkrediten vom 9. April 1996 und 21. Dezember 1998 ausgelegt und eine Haftung für diese Prolongation der Hauptschuld der Bürgschaftsurkunde entnommen. Es kann dahinstehen, ob der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO an diese Auslegung, die keine Auslegungsfehler erkennen läßt, gebunden ist (so OLG Celle OLGR 2002, 238; a.A. BGH Urteil vom 14.07.2004 - VIII ZR 164/03).

Die Beklagte meint, eine Novation ergebe sich daraus, dass neben den bestehenden, weitere Sicherheiten gefordert worden seien. Dies läßt sich hier jedoch gerade nicht feststellen. Vielmehr wurden mit Darlehensvertrag vom 29. August 2001 die bisherigen dinglichen Sicherheiten auf ein dem reduzierten Kreditrahmen entsprechendes Maß zurückgeführt. Die im Darlehensvertrag vom 29. August 2001 aufgeführten Sicherungsgrundschulden nahmen nämlich dieselbe Rangstelle - die laufenden Nrn. 2 und 6 - ein wie im Darlehensvertrag vom 21. Dezember 1998; die unter der laufenden Nr. 8 eingetragene Grundschuld in Höhe von 100.000,00 DM, die noch der Absicherung des Darlehens aus dem Jahre 1998 diente, wurde aufgegeben.

Nach dem Inhalt des Darlehensvertrages vom 29. August 2001 handelte es sich lediglich um eine Zusammenführung und Prolongation der bestehenden Kreditverträge vom 13. November 1995 und 21. Dezember 1998, für die nach Ziffer 2. der Bürgschaftsurkunden vom 20. November 1997 und 7. Januar 1999 die Bürgschaft unverändert bestehen bleibt.

In der Regel begründen mehrere Kontoeröffnungs- und Kreditverträge auch mehrere Schuldverhältnisse (BGH WM 1991, 495, 496). Daraus folgt aber noch nicht ohne weiteres, dass ein Kredit, den dasselbe Bankinstitut zur Ablösung eines früheren Kredits "gewährt" (bankinterne Umschuldung), Gegenstand eines neuen Schuldverhältnisses sein müsste. Ob die Parteien eine Novation oder nur eine Abänderung der bisherigen Vertragsmodalitäten gewollt haben, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu beantworten. Wegen der mit einer Schuldumschaffung verbundenen einschneidenden Folgen ist im Zweifel davon auszugehen, dass nur eine Vertragsänderung gewollt ist und nicht ein neues Schuldverhältnis begründet werden soll (BGH NJW 2000, 2580).

Die von den Parteien gewählte Vertragsgestaltung läßt erkennen, dass diese hier eine bloße Änderung der bisherigen Vertragsmodalitäten gewollt haben.

Wie bereits dargelegt, verlangte die Klägerin mit Abschluß des Darlehensvertrags vom 29. August 2001 keine zusätzlichen dinglichen Sicherheiten, sondern vereinbarte mit dem Hauptschuldner die teilweise Rückführung der bestehenden Grundschulden. Dies legt nahe, dass auch die im Darlehensangebot der Klägerin vom 3. Juli 2001 aufgeführten persönlichen Sicherheiten nicht zusätzlich, neben den bestehenden Höchsbetragsbürgschaften gestellt werden sollten. Entsprechend der bisherigen Handhabung der Klägerin bei der Prolongation der Kreditverträge - bei Änderungen der Vertragsmodalitäten wurden hierfür stets gesonderte Bürgschaftsurkunden erstellt - diente das Verlangen der Klägerin nach Gestellung von Bürgschaften auch in diesem Fall offensichtlich nur dem anerkennenswerten Interesse der Klägerin nach hinreichend klaren und bestimmten Bürgschaften.

Dass die Änderung der Zinshöhe nach Ablauf der Festschreibungsfrist des bereits einmal prolongierten Kredits vom 21. Dezember 1998 zum 31. Dezember 2000 den Bestand des Schuldverhältnisses unberührt ließ, unterliegt von vornherein keinem Zweifel. Auch in der Änderung der monatlichen Tilgungsraten und der mit der Zusammenführung der Kredite verbundenen Umbuchung auf ein Konto liegen lediglich Änderungen von Vertragsmodalitäten, die das ursprüngliche Kreditverhältnis als solches bestehen ließen.

Schließlich führt auch die in dem Darlehensvertrag vom 29. August 2001 verwendete Wortwahl nicht zu der Annahme, es sei nunmehr die Ersetzung der Forderung durch eine andere gewollt. Anders als der Darlehensvertrag vom 8. Dezember 1999, in dem ausdrücklich von "prolongieren" des ursprünglich gewährten Darlehens die Rede war, und der Vertrag vom 21. Dezember 1998, mit dem das Darlehen "zur Ablösung der Inanspruchnahme" gewährt wurde, enthält der Vertragstext zwar keine derartig eindeutige Begrifflichkeiten. Mit der Formulierung, der Tilgungs-Barkredit werde "hinsichtlich der Neuordnung des bestehenden Kreditengagements bzw. der bestehenden Inanspruchnahme" zur Verfügung gestellt, hat die Klägerin indes hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass eine Zusammenführung der (noch) bestehenden Kredite und bloße Änderung der bisherigen Vertragsmodalitäten handeln sollte. Für die mit einer Novation zwingend verbundenen Aufgabe der Sicherheiten bestand, über eine Anpassung (Reduzierung) an den geänderten Kreditrahmen hinaus, auch keine Veranlassung.

bb) Die Kammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Bürgschaftsverträge vom 20. Oktober 1997 und 07. Januar 1999 nicht wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam sind.

Es kann offen bleiben, ob die Zweckerklärung für die am 13. Juni 1995 übernommene Bürgschaft wegen Verstoßes gegen die §§ 3, 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG (jetzt: §§ 305 c Abs. 1, 307 BGB) unwirksam war, weil sie sich formularmäßig möglicherweise über die Ansprüche, die Anlaß der Verbürgung waren, hinaus auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners erstreckte. Die in den hier maßgeblichen Bürgschaftserklärungen vom 20. Oktober 1997 und 7. Januar 1999 enthaltenen Zweckerklärungen bezeichnen die mit der Bürgschaft zu sichernden Darlehen im einzelnen und sind im Hinblick auf die Bestimmungen des AGBG bzw. den §§ 305 c ff. BGB nicht zu beanstanden.

Im übrigen führte ein Verstoß gegen die §§ 305 c, 307 BGB n.F. nur zur Unwirksamkeit der formularmäßigen Zweckerklärung, die Bürgschaft als solche bleibt wirksam und ist lediglich auf diejenigen Ansprüche beschränkt, die Anlaß der Bürgschaftsübernahme waren (st. Rspr. BGH NJW-RR 2002, 343).

cc) Die Bürgschaft ist auch nicht sittenwidrig und damit nichtig, § 138 Abs. 1 BGB.

Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies ist bei einer Bürgschaft insbesondere dann anzunehmen, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell krass überfordert wird und die Bürgschaft sich aus der Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist (vgl. u.a. BGH NJW 1997, 3372, 3373).

Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; WM 2003, 275 f.). Zwar reicht selbst der Umstand, dass der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.

(1) Die Beklagte hat zwar nunmehr hinreichend dargetan, dass sie nicht in der Lage war, die in den der Höchstbetragsbürgschaft zugrundeliegenden Kreditverträgen vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein zu tragen. Dieser von der Klägerin bestrittene Vortrag unterliegt als "neues" Vorbringen jedoch dem Zulassungserfordernis des § 531 Abs. 2 ZPO und ist nicht zuzulassen.

(a) Erstmals mit einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28. August 2003 hat die Beklagte zu ihren monatlichen Nettoeinkünften bei Übernahme der Bürgschaften vorgetragen und diese unter Vorlage von Gehaltsbescheinigungen für 1996 und 1999 mit 2.769,26 DM bzw. 2.758,10 DM beziffert. In ihrer Berufungsbegründung vom 19. November 2003 hat sie zumindest konkludent ("Sie hat sich in den Selbstauskünften vollends offenbart") behauptet, über kein weiteres Vermögen als das in den Selbstauskünften (Bl. 136 ff.) angegebene verfügt zu haben.

Bei voller Valutierung der verbürgten Schuld betrugen allein die Darlehenszinsen für die mit den Bürgschaften gesicherten Kredite monatlich rund 2.842,00 DM ([200.000,00 DM x 9,5 % + 200.000,00 DM x 7,55 % ] : 12 ).

(b) Entgegen der im Schriftsatz vom 9. August 2004 geäußerten Auffassung der Beklagten handelt es sich um "neues" Vorbringen in der Berufungsinstanz, dessen Zulassung nur unter den in § 531 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen erfolgen kann. "Neues" Vorbringen im Sinne dieser Vorschrift liegt nämlich auch dann vor, wenn der Vortrag in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte.

Gründe, dieses neue Vorbringen zuzulassen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Insbesondere liegt der Zulassungsgrund des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vor. Dem Landgericht ist ein Verfahrensfehler, aufgrund dessen die Beklagte zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen in erster Instanz nicht rechtzeitig vortragen konnte, nicht vorzuwerfen. Die Kammer hat ausweislich des Sitzungsprotokolls im Termin vom 13. August 2003 auf das insoweit nicht hinreichende Vorbringen hingewiesen. Gleichwohl hat die Beklagte ihren Vortrag weder im Verhandlungstermin ergänzt, noch Schriftsatznachlaß beantragt.

Es liegt auch kein Fall unstreitigen neuen Vorbringens vor, dessen Zulassung in der Berufungsinstanz in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert wird (bejahend Zöller-Gummer 24. Aufl. 2004 § 531 Rdnr. 25; einschränkend OLG Hamm MDR 2003, 650; ablehnend: OLG Düsseldorf U.v. 14.10.2003 - 23 U 222/02; OLG Celle OLGR 2003, 303; OLG Nürnberg OLGR 2003, 377; OLG Oldenburg NJW 2002, 3556).

Mit der Berufungserwiderung vom 8. Januar 2004 bestreitet die Klägerin vorsorglich das neue Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung. Zwar hat die Beklagte - wie dargelegt - zu ihren bei Übernahme der Bürgschaften erzielten Einkünften bereits im Schriftsatz vom 28. August 2003 vorgetragen. Dass die Berufungserwiderung nicht Bezug auf den Schriftsatz vom 3. September 2003 nimmt, mit dem die Klägerin die behaupteten Einkünfte bestritten hat, rechtfertigt indes nicht die Annahme, die Klägerin wolle ihr Bestreiten aus erster Instanz aufgeben und die behaupteten Einkünfte der Beklagten - anders als in den Parallelverfahren 4 U x/03 und 4 U y/03 - unstreitig stellen.

(2) Im übrigen wären die von der Beklagten übernommenen Bürgschaften vom 20. Oktober 1997 und 7. Januar 1999 auch bei Berücksichtigung der behaupteten Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht wegen krasser finanzieller Überforderung der Bürgin sittenwidrig und damit nichtig.

(a) Das Haftungsrisiko der Beklagten wurde allerdings nicht deshalb auf ein vertretbares Maß beschränkt, weil die Darlehensverbindlichkeiten ihres Ehemannes zusätzlich durch Grundschulden zugunsten der Klägerin an dem in dessen Eigentum stehenden Betriebsgrundstück in N. gesichert waren. Anderweitige Sicherheiten, die der Hauptschuldner dem Kreditgeber gewährt hat, können bei der Beurteilung der finanziellen Überforderung nur dann berücksichtigt werden, wenn sie das Haftungsrisiko des Mithaftenden in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken (BGH WM 2000, 410, 412; NJW 2001, 815). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Nach den mit der Beklagten getroffenen Vereinbarungen war die Klägerin nicht verpflichtet, sich vorrangig durch Verwertung der dinglichen Sicherheiten zu befriedigen. Der Klägerin stand ein Wahlrecht zu, welche der Sicherheiten sie zuerst in Anspruch nehmen wollte. Nach Ziffer 5 der Bürgschaftserklärungen stand es der Klägerin zudem frei, den Erlös aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche anzurechnen, die nicht durch Bürgschaft gedeckt sind. Wie der vorliegende Fall sowie die Parallelverfahren gegen die beiden weiteren Bürgen - 4 U x/03 und 4 U y/03 - beispielhaft aufzeigen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Haftungsrisiko der Beklagten tatsächlich in der Weise begrenzt war, dass sich die Klägerin zunächst aus den Grundschulden auf dem Betriebsgrundstück befriedigen würde und die Beklagte allenfalls mit dem Ausfallbetrag einer entsprechenden Verwertung in Anspruch genommen werden sollte. Aus Sicht eines rational handelnden Kreditgebers kann die Inanspruchnahme der Grundschulden auf dem Betriebsgrundstück vor einer Inanspruchnahme der Bürgen keineswegs zwangsläufig als die einzig sinnvolle Vorgehensweise betrachtet werden, die aus der Perspektive der kreditgebenden Bank zum Zeitpunkt der Übernahme der Mithaftung für den Verwertungsfall in Betracht kam. So erscheint es aus Sicht des Kreditgebers insbesondere dann sinnvoller, bei finanziellen Schwierigkeiten des Hauptschuldners zunächst auf persönlich haftende Dritte statt auf ein Betriebsgrundstück des Hauptschuldners Zugriff zu nehmen, wenn der Kreditgeber noch ein Chance der Sanierung des Unternehmens sieht, die er mit der Verwertung des Betriebsgrundstücks vereiteln würde.

Da es danach bereits an einer hinreichenden rechtlichen Sicherung einer Beschränkung des Haftungsrisikos auf ein angemessenes Maß fehlt, kommt es darauf, ob die in Ziffer 8. der Bürgschaftserklärungen abbedungene Regelung des § 776 BGB gemäß § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) unwirksam ist (vgl. dazu BGH ZIP 2001, 2168) und ob die Unwirksamkeit des Ausschlusses der Rechte aus § 776 BGB für die Berücksichtigungsfähigkeit anderer Sicherheiten im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften von Bedeutung ist, nicht an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1999, 2584, 2587), der sich der Senat anschließt, kommt die Berücksichtigung anderweitiger Sicherheiten nämlich nur in Betracht, wenn die Rechte des Bürgen aus § 776 BGB nicht abbedungen sind und sichergestellt ist, dass er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (Senatsurteil vom 10.03.2004 - 4 U 170/03).

(b) Im vorliegenden Fall ist jedoch die bei Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen zu dessen Gunsten sprechende Vermutung, dass der Bürge die ruinöse Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, aus den folgenden Gründen, die der Senat bereits im Termin vom 21. Juli 204 erörtert hatte, widerlegt.

Ein solches Eigeninteresse an der Darlehensgewährung, das ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit voll ausgleichen würde (BGH ZIP 2001, 189, 192), ist zwar nicht schon darin zu sehen, dass die Beklagte in dem Unternehmen ihres Ehegatten, dem der Kredit zugute kam, beschäftigt war. Das aus dieser Beschäftigung erzielte Gehalt stellt, ebenso wie das Wohnen in einem durch Kredit finanzierten Haus, lediglich einen mittelbaren Vorteil dar.

Hier kam jedoch hinzu, dass der Beklagten vor der Darlehensgewährung von ihrem Ehegatten umfassende Befugnisse für Bankgeschäfte mit der Klägerin eingeräumt worden waren, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, wie bei bürgenden Geschäftsführern oder Gesellschaftern (dazu BGH WM 2000, 514) die Anwendbarkeit der Grundsätze der Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften zu verneinen.

Mit der "Bankvollmacht für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Konten und Depots" vom 11. Oktober 1979 wurde die Beklagte gegenüber der Klägerin bevollmächtigt, "alle Handlungen im Geschäftsverkehr mit Ihnen vorzunehmen, insbesondere über die jeweiligen Guthaben, Depots und sonstigen Vermögenswerte sowie die eingeräumten Kredite in beliebiger Weise - auch zu eigenen und zu Gunsten Dritter - uneingeschränkt zu verfügen". Darüber hinaus hatte W. L. der Beklagten die Befugnis eingeräumt, in seinem Namen Kredite aufzunehmen, hierfür aus dem Vermögen des Hauptschuldners Sicherheiten zu bestellen und für eigenen und die Verbindlichkeiten Dritter mit den Guthaben des Hauptschuldners Sicherheit zu leisten. Damit konnte die Beklagte selbst maßgeblich auf die Entstehung und den Umfang von Schulden des Hauptschuldners Einfluß nehmen.

War der Beklagten aber mit der "Bankvollmacht für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Konten und Depots" eine so einflußreiche Stellung, die Bankgeschäfte des Unternehmens mit der Klägerin betreffend, eingeräumt, erscheint es gerechtfertigt, die Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsübernahme für die Unternehmensschulden zu verneinen. Entscheidender Gesichtspunkt für die Nichtanwendbarkeit der Grundsätze der Ehegattenbürgschaft auf Gesellschafter und Geschäftsführer ist, dass diese die Entstehung von Verbindlichkeiten "ihrer" Gesellschaft beeinflussen können. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn mehrere Geschäftsführer die Verantwortung für die kaufmännische und technische Unternehmensführung unter sich aufgeteilt haben.

b) Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330), Art. 229 § 1 Abs. 1 EGBGB.

2.

Die form- und fristgerecht eingelegte Anschlußberufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beklagten sind die Kosten des ersten Rechtszugs insgesamt gemäß § 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen; für eine Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO war hier kein Raum.

Die Reduzierung der Forderung aus dem Mahnverfahren von 139.488,52 € auf 70.000,00 € im streitigen Verfahren geltend gemachten Forderung ist nicht als Klagerücknahme auszulegen. Bereits in der Anspruchsbegründung hat die Klägerin deutlich gemacht, dass nur in Höhe dieses Teilbetrages das streitige Verfahren durchgeführt werden soll. Dies ergibt sich aus dem darin angekündigten Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines "erststelligen Teilbetrages von 70.000,00 €". Lediglich in dieser Höhe ist der Rechtsstreit bei dem Landgericht anhängig gemacht worden; hinsichtlich der überschießenden Forderung ist das Mahnverfahren weiterhin anhängig.

Dieser Beurteilung steht die Erklärung der Klägerin im Verhandlungstermin zum Parallelverfahren 8 O x/03 (4 U x/03) vom 13. August 2003, der "weitergehende Antrag aus dem Mahnbescheid" werde zurückgenommen, nicht entgegen. Wortlaut und Sinn lassen eine Auslegung dieser Rücknahmeerklärung dahingehend zu, dass damit ein weitergehender Antrag aus dem Mahnbescheid nicht gestellt werden sollte. Dass ihrer Rücknahmeerklärung dieser Sinngehalt beizumessen war - und auch von den Prozeßbeteiligten beigemessen wurde -, hat die Klägerin im Termin vor dem Senat nochmals ausdrücklich klargestellt. Im übrigen würde die Erklärung einer Klagerücknahme mangels rechtshängiger Klage hinsichtlich eines 70.000,00 € überschießenden Betrages von vornherein ins Leere laufen. Einem Verständnis der Erklärung als Rücknahme des Mahnantrags stünde sowohl der Wortlaut ("des weitergehenden Antrags aus dem Mahnbescheid ") als auch das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Mahnantrags entgegen, denn die Mahnantragsrücknahme bewirkte, dass der Mahnbescheid kraftlos werden würde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 12, 14 GKG auf 70.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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